On Mi, 2005-12-07 at 16:09 +0100, Josh Kress wrote: > die Vorschläge sind eingegangen und der Vorstand ist am Grübeln. > Folgende Personen wurden für den Posten des 2. Vorstand vorgeschlagen: > > * Sven Herzberg > * Thomas Keup > * Christian Neumair > * Zoltan Sekeres > > Nun bittet der Vorstand um ein kleines Statement, wie die Kandidaten > sich, aus ihrer Sicht, in die Vorstandsarbeit einbringen können: > Spezielle Interessen, konkrete Vorhaben, aber auch Visionen rund um und > mit GNOME Deutschland und GNOME in Deutschland. Lieber GNOME Deutschland e.V.-Vorstand, liebe Community, ich fühle mich außerordentlich geschmeichelt, dass der GNOME Deutschland e.V. mich als 2. Vorstand in Erwägung zieht. Im Folgenden möchte ich meine Sicht auf die GNOME-Entwicklung und die Aufgaben des Vereins schildern. Die Entwicklung von freier Open-Source-Plattform zerfällt i.A. in zwei Bereiche: Einerseits müssen die Interessen der Benutzer wahrgenommen werden, andrerseits darf man auch nicht die Entwickler aus den Augen verlieren. - Ziel der Entwicklung, der Desktop aus Nutzersicht Das Leitziel der GNOME-Entwicklung muss selbstverständlich die Eroberung des Massenmarktes sein. Das Gros der Nutzer kapriziert sich jedoch nicht auf lizenzrechtliche Erwägungen, sondern probiert ein Produkt mehr oder weniger unbefangen aus, und überprüft, inwiefern sich damit die täglichen Aufgaben erledigen lassen. Somit besteht unsere Hauptaufgabe aus Nutzersicht daraus, ein überzeugendes, also stabiles und einfach zu bedienendes Produkt abzuliefern. Hierzu ist es erforderlich, dass sich die verschiedenen Schichten des Betriebssystems aus Benutzersicht nahtlos ineinander greifen. In der Vergangenheit hat es das internationale Team der GNOME-Entwickler gut gemeistert, Frameworks zu entwickeln, wo sie benötigt wurden. So ist die gesamte Entwicklung des D-Bus, HAL- und Galago-Frameworks letztlich auf GNOME-Initiativen zurückzuführen. In naher Zukunft wird sich ein Desktop-Such-Framework dazugesellen, das einen Medusa-Ersatz darstellt. Die Stabilität der Software muss durch extensives Testen gewährleistet werden. Ubuntu hat hier einen großen Beitrag geleistet, indem ohne großen Aufwand auch Entwicklerversionen an relativ viele Nutzer verteilt werden konnten, um so frühzeitiges Feedback zu erhalten. - Der Desktop aus Entwicklersicht Wir müssen Frameworks abliefern, die lange Bestand haben. Vorbild darf hier nicht Microsoft/Windows sein, das mit der Unterstützung undokumentierter und dennoch ausgiebig genutzert APIs und ABIs zu kämpfen hat, sondern muss Apple/MacOS sein, das zwar regelmäßig die Unterstützung alter APIs aufkündigt, aber durch besser durchdachte und ausgearbeitete APIs ersetzt. - Kritik und Zukunft Leider ist die Identifikation der Nutzer mit GNOME noch nicht hoch genug. Viele Fehlerberichte bleiben ungeschrieben, und wertvolle Rückmeldungen versanden. Dieser Effekt wird durch die Tatsache verstärkt, dass einzelne Entwickler den GNOME-Bugzilla weitgehend ignorieren. Wir müssen hart daran arbeiten, diese Entwickler vom Sinn des Bugzillas zu überzeugen. Auch werden Teile der Fehlerberichte schlecht gepflegt. Wir brauchen mehr "Bugmaster", also Bugzilla-Helfer, denen weitreichende Befugnisse zur Klassifikation von Fehlerberichten eingeräumt werden. Diese stellen ein zentrales Instrument in der Kommunikation zwischen Entwicklern und Nutzern dar. Darüberhinaus muss GNOME endlich mit alten APIs und Frameworks aufräumen. CORBA hat sich als für Desktop-Komponenten untauglich erwiesen. Ein klassischer Ansatz über gemeinsam genutzte Bibliotheken und eine Desktop-taugliche D-Bus-IPC scheint der geeignete Ansatz zu sein. Leider gibt es im Moment keine Möglichkeit, CORBA aus der Desktop-Plattform zu verbannen, da verschiedenste Komponenten wie das Panel nach wie vor auf ihm aufbauen, und darüberhinaus Basisbibliotheken untrennbar mit CORBA verheiratet sind. Die Lösung dieser Bindungen macht es erforderlich, in nicht allzuferner Zukunft mit der Entwicklung von GNOME 3.0 zu beginnen. Diese Maßnahmen zusammen mit einer Verbesserung der API-Dokumentation führen mittel- und langfristig zu einer höheren Entwickler- und Nutzerzahl. Kommt der Stein einmal ins Rollen, so verstärken sich die positiven Effekte und wir gelangen zu einer immer ausgereifteren und überzeugenderen Lösung für alle Beteiligten. - Die Rolle des GNOME Deutschland e.V. Die Aufgabe des GNOME Deutschland e.V. muss es einerseits sein, Nutzer und Entwickler zusammenzuführen, d.h. o.g. Interessen miteinander in Einklang zu bringen. Darüberhinaus müssen wir jedoch ein ernstzunehmender Ansprechpartner für die deutsche Industrie sein, der stets für Verbesserungen und Entwicklungsvorschläge offen ist, die die Integration von GNOME in große Computersysteme ermöglicht. Weiterhin müssen wir sowohl auf Konsumenten- als auch auf Industriemessen präsent sein, und für unser Produkt werben. Aggressive Öffentlichkeitsarbeit und gut konzipertes Marketing ist hier gefragt, sowohl im Privat- als auch im Industriebereich. Eine zentrale Aufgabe ist aktive die Präsenz auf Messen, für die wir freiwillige und fachkundige Ausstellungsbetreuuer finden müssen. Eine weitere Aufgabe muss es sein, lokale GNOME-Benutzergruppen zu installieren, die ihre Erfahrungen austauschen und so für eine unmittelbare Erfahrung mit anderen Nutzern und Entwicklern sorgen. Optimal wäre es, wenn die Entwickler sich so unmittelbares Feedback von den Konsumenten holen, und so die Anforderungen an die Software erfahren. Zusätzlich dient dieses Instrument der Mundpropaganda. Meine persönliche Erfahrung zeigt, dass sich - ausgehend von einer Keimzelle - oft ganze Nutzergruppen in einer bestimmten Umgebung einfinden, die ihre Erfahrungen und Anwendungstipps austauschen und so die Zufriedenheit aller am Austausch beteiligten Benutzer mit dem Desktop erhöhen. Überdies ist es wichtig, neue Übersetzer zu aquirieren, und die Probleme der momentan aktiven Übersetzer zu besprechen. Es gibt viele talentierte Übersetzer im Lande, die an hohen technischen Hürden scheitern. Die Hemmschwelle für eine Teilnahme muss deutlich abgesenkt werden, um für eine vollständige Lokalisierung des Desktops - inklusive Handbüchern, Screenshots, Presseerklärungen etc. - zu sorgen. Eine zentrale Übersetzungsdatenbank, die die Vereinheitlichung der vorhandenen Übersetzungen garantiert, muss oberste Priorität haben. - Warum ich? Ich bin davon überzeugt, die politischen und technischen Aspekte des GNOME-Desktops gut zu kennen. Als erfahrener Übersetzer, Entwickler, Bugzilla-Aktivist und nicht zuletzt überzeugter Nutzer mit gutem Draht zu vielen Entwicklungsgruppen bin ich ein Mann der Praxis, der viele Aspekte der GNOME-Entwicklung kennt und übersieht. Ich beteilige mich mit Kritik und Feedback an großen Framework-Enwicklungen, bin jedoch auch pedantisch, wenn es um die Lösung lästiger Probleme und Kleinigkeiten geht. Hierbei möchte ich besonders meine Detailarbeit an einer der zentralen Komponenten, dem Dateimanager Nautilus, hervorheben [1], die - so hoffe ich - bereits vielen Nutzern das Leben erleichtert hat. Darüberhinaus bin ich der Meinung, die politische Dimension des GNOME-Desktops zu erfassen und adäquat auf die Bedürfnisse sämtlicher Nutzergruppen einzugehen. Ich möchte auf eine Entfaltung des gesamte Potenzial des GNOME-Desktops hinarbeiten, und die Visionen nicht verlieren, ohne die augenblicklichen Bedürfnisse hintanzustellen. Abschließend möchte ich mich noch einmal für das mir gegenübergebrache Vertrauen bedanken. Ich vertraue darauf, dass die GNOME-Gemeinschaft die optimale Besetzung für den zu vergebenen Posten des 2. Vorstands findet. [1] http://www.google.de/search?q=nautilus%20patch% 20neumair&ie=UTF-8&oe=UTF-8 -- Christian Neumair <chris gnome-de org>
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